Sozialismus – ausführliche Betrachtung einer Idee

Wenn wir den Begriff Sozialismus hören, so kommen die verschiedensten Assoziationen auf. Manch einer erinnert sich an ein System, in dem er selbst dereinst lebte, andere verbinden damit romantische Vorstellungen einer besseren Welt und wieder andere Bilder von hungernden Menschen und elender Armut. Hier haben wir es also offensichtlich mit einem Begriff zu tun, dessen Inhalt genau geklärt werden muss und bei dem sich eine ausführliche Betrachtung sehr lohnt. Daher soll im folgenden nicht nur die Frage gestellt werden, was genau Sozialismus ist, sondern auch woher er kommt und was daraus folgt.

Der vorliegende Beitrag ist dabei insofern etwas Neues, als dass er wesentlich länger als die vorangegangenen wird. Grund dafür ist zum einen, dass ich einmal ausprobieren möchte, wie entsprechend lange und aufwendige Beiträge ankommen, woran sich dann entscheidet ob ich sie in Zukunft doch lieber wieder thematisch entsprechend aufteile und zum anderen weil es sich bei diesem Thema anbietet. Entsprechend beginnen wir nun auch mit einer Gliederung der folgenden Gedanken und wollen dann die einzelnen Aspekte genau besprechen und jeweils in den Kontext einbinden. Dabei soll es jedoch ausdrücklich nicht um eine ausführliche Betrachtung real existierender sozialistischer Systeme oder Versuche gehen, sondern um die Idee als solche und ihre Geschichte. Und bevor ich es vergesse: im folgenden gilt wie immer: es muss sich niemand angesprochen fühlen. Wer dies jedoch tut, ist selbstverständlich auch gemeint.

Beginnen werden wir, wer hätte das nur erwartet, mit einer Begriffsklärung. Diese entstammt, wie auch alles weitere hier, meinen eigenen Untersuchungen bezüglich verschiedenster Quellen. Daher wird es im Laufe des Beitrags, vor allem während der geschichtlichen Betrachtungen, eine klare Beweisführung für die hier als Thesen aufgezeigten Säulen des Sozialismus geben. Als nächstes werden wir einen kleinen, jedoch grob gehaltenen Blick auf das werfen, was wir als Vorgeschichte zu sozialistischen Ideen bezeichnen werden. Dann beginnen wir mit dem, was im folgenden die eigentliche Ideengeschichte genannt wird und werfen schließlich einen Blick auf das, was nach deren Abschluss vorliegt. Hier soll es dann vor allem um den Unterschied zwischen Idee und Doktrin gehen, und wir werden natürlich auch auf solche Begriffe wie den Kulturmarxismus eingehen. Im Anschluss soll dann auf jeden Fall noch der Nationalsozialismus besprochen werden, der im Namen ja den Begriff des Sozialismus enthält, und wir wollen hier natürlich auf die Frage eingehen, ob er denn ein solcher ist, beziehungsweise wo die ganz grundlegenden ideologischen Unterschiede liegen.

Zuletzt fassen wir das Ganze natürlich noch einmal zusammen. Na, da haben wir und nun aber was vorgenommen. Ich hoffe, Sie, werter Leser, sind gut auf die Reise vorbereitet und haben sich ein kühles Getränk zur Seite gestellt. Fangen wir an.

Was ist Sozialismus?

Diese Frage alleine zu stellen, kann schon zu nächtelangen Diskussionen führen. Sozialisten sind sich hier untereinander nicht wirklich einig. Meine folgenden Betrachtungen, das sei in aller Ehrlichkeit gesagt, entstammen meiner subjektiven Sicht, die sich auf die Lektüre verschiedener sozialistischer Denker bezieht und von jemandem stammt, der selbst kein Sozialist ist, die Sache also von Außen betrachtet. Ebenfalls sei hier auch der Ehrlichkeit halber gesagt, dass ich nicht behaupte, jeden sozialistischen Denker vollumfänglich studiert und jede Abhandlung über diese gelesen zu haben.

Nun kann man natürlich den Sozialismus versuchen zu definieren. Nimmt man eine Suchmaschine seiner Wahl und gibt einfach mal „Definition des Sozialismus“ ein, so stößt man etwa auf die folgenden Versuche:

Sozialismus ist eine ‚politische Richtung [oder] Bewegung, die den gesellschaftlichen Besitz der Produktionsmittel und die Kontrolle der Warenproduktion und -verteilung verficht.‘

(Wörterbuchanzeige bei Google)

Oder:

Sozialismus bezeichnet Ideologien, welche die Überwindung des Kapitalismus und die Befreiung der Arbeiterklasse aus Armut und Unterdrückung zugunsten einer an Gleichheit, Solidarität und Emanzipation orientierten Gesellschaftsordnung propagieren.

(Günter Rieger im „Lexikon der Politik,“ Band 7, Seite 595)

Hm. Ideologien? Nicht eine? Müssten wir dann nicht von Sozialismen sprechen, statt vom Sozialismus? Naja, darauf wollen wir natürlich genauer eingehen. Da wir mit den gängigen Definitionen jedoch nicht weit kommen, müssen wir uns eben daran machen, eine eigene aufzustellen. Ich werde dies anhand von Säulen machen, die ich für elementar für den Sozialismus halte. Dass auf diese dann verschiedene Aufbauten gesetzt werden könnten, soll eben dadurch angedeutet und entsprechend im späteren Abschnitt Idee und Doktrin beleuchtet werden.

Also, was macht den Sozialismus aus? Insgesamt haben wir meiner Ansicht nach 8 Säulen, die sich durch die sozialistische Ideenwelt ziehen und von Anfang an zumindest im gewissen Rahmen vertreten sind. Nicht alle liegen immer in Reinform vor, sondern prägen sich erst im Laufe der Zeit aus, und ich habe jeweils eine bewusst plakative Bezeichnung gewählt, doch sollte im Laufe des Beitrages klar werden, dass die folgenden Elemente eng mit dem Sozialismus verbunden sind. Gehen wir sie also der Reihe nach durch.

1. Utopie

Sozialisten wollen eine neue Welt schaffen, die es so nicht gibt. Sie wollen also einen Zustand erreichen, der nirgends vorzufinden ist, weshalb wir von einer Utopie sprechen können, einem gedachten Konstrukt, das aufzubauen wäre. Dies bezieht sich beim Sozialismus natürlich vor allem auf die Zusammensetzung und Gestaltung der Gesellschaft und der Wirtschaft. Ganz wichtig ist, dass es sich hierbei um eine diesseitige Bemühung handelt, dass heißt dass ein Heilsversprechen im Jenseits keine Rolle spielt, sondern die Utopie auf der tatsächlich vorzufindenden Welt umgesetzt werden soll.

2. Gleichheit

Man kann an dieser Stelle natürlich wieder den Begriff des Egalitarismus verwenden. Darüber gibt es nun auch bereits einen Beitrag von mir, jedoch in einem anderen Kontext. Sozialismus hat das Ziel, die Menschen gleich zu machen, beziehungsweise geht davon aus, dass sie in gewisser Hinsicht gleich sind, etwa gleich durch Gott geschaffen, und daher auch eine Gleichheit hergestellt werden muss. Ziel ist es vor allem, alte Stände und damit die Oberschicht abzuschaffen und die Menschen in der Breite auf dieselbe Stufe zu stellen. Weiterhin gibt es natürlich eine Synergie mit der dritten Säule, wie wir gleich sehen werden, denn auch die Abschaffung des Privateigentums sorgt für eine Gleichheit unter den Menschen, die gleichviel, nämlich nichts, für sich selbst und alles oder zumindest alles relevante in der Gruppe besitzen.

3. Abschaffung des Privateigentums

Eine Forderung, die wir bei allen Sozialisten finden, ist die der Verstaatlichung oder Vergemeinschaftlichung verschiedener Güter. Wie umfassend und weitreichend das Ganze ist, unterscheidet sich jedoch. Minimal wird zumindest gefordert, das Privateigentum am Land aufzulösen, also den Grund und Boden gemeinschaftlich zu besitzen. Dazu kommt dann natürlich auch, dass die Früchte des Landes, also die Rohstoffe und auch die Nahrungsmittel, allen gehören.

Wie weit es darüber hinaus geht, also ob das Auto auf der Straße gar keinen Schlüssel mehr hat, weil eh jeder einsteigen und damit losfahren darf, da es jedem gehört ist da schon wieder eine andere Frage. Wichtig ist hier eben vor allem zu beachten, dass das Eigentum abgeschafft wird, nicht der Besitz. Es kann also durchaus ein Stück Land und ein Haus einer Familie zum Wohnen und bewirtschaften dauerhaft überlassen werden, letztlich gehört es jedoch allen und falls die Familie nicht mehr den Ansprüchen der Gemeinschaft, aus welchen Gründen auch immer, gerecht wird, so ist ein Entzug desselben rechtlich kein Problem.

Auch kann natürlich auf diese Weise das Erbrecht massiv eingeschränkt werden, da man höchstens Besitz übertragen bekommt, aber eben nicht das Eigentum an beispielsweise einem Haus. Ziel ist es hierbei, dadurch die Ungleichheit zu bekämpfen, da natürlich dadurch, dass niemand mehr relevantes Privateigentum anhäufen kann als ein anderer, auch niemand dem anderen überlegen ist.

4. Gemeinschaft

Diese Säule sollte offensichtlich sein, denn steckt sie im Begriff Sozialismus bereits drin. Synonyme wären hier Brüderlichkeit oder Solidarität. Einer für alle und alle für einen, oder eher so ähnlich. Im Endeffekt heißt dies, dass die Bedürfnisse der Gemeinschaft im Vordergrund stehen, der Einzelne sich unterordnet und dessen Wohlergehen im Kontext des Erfolges der Gesamtheit, nicht als Individuum betrachtet wird. Dies werden wir vor allem noch einmal im historischen Abschnitt betrachten, wenn es um den Begriff der Freiheit im Sozialismus geht.

5. Auflösung der Familie

Diese Säule prägt sich erst in der späteren Ideengeschichte sehr deutlich aus, ist aber in Ansätzen bereits früh vorhanden. Wie gesagt sind wir hier mit der Bezeichnung recht plakativ. Eine vollständige Auflösung, sodass niemand mehr weiß, wer die eigenen Eltern sind, wäre natürlich das Extrem, aber es geht eben vor allem um das Angehen der Familie als Einheit, die eine Gemeinschaft im Kleinen ist und daher im Sinne der vierten Säule für die Gesamtheit im Wege steht, da die Solidarität natürlich der Gemeinschaft zugute kommen soll. Wir werden sehen, dass teils die Auflösung der Ehe gefordert wird und natürlich in Kombination mit der dritten Säule durch das Abschaffen des Privateigentums das Erbrecht zu einem guten Teil wegfiele, weshalb den Eltern eine wichtige Motivation, nämlich ihren Kindern etwas zu hinterlassen, verloren geht.

6. Abschaffung der Religion

Hiermit ist vor allem und in erster Linie der Katholizismus gemeint, der oftmals als Feindbild für sozialistische Denker auftrat. Allerdings geht es auch wesentlich weiter, bis hin zu einem fest verankerten Atheismus oder der Schaffung eigener Religionen. Auch hier sei daran erinnert, dass wir den Begriff wieder als allgemeine Beschreibung verwenden wollen, also nicht zwangsläufig eine vollständige Abschaffung, wohl aber eine kritische bis feindliche Haltung der jeweils etablierten Religion gegenüber vorhanden ist. Man sollte hier auch deutlich zwischen Religion in organisierter Form und dem Glauben unterscheiden, denn letzterer wird teils gar als Grundlage für die Überlegungen herbeigezogen. Natürlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Diesseitigkeit, die in der ersten Säule genannt wurde, hier natürlich eine Rolle spielt, denn ohne Religion ist ein Hoffen auf ein Jenseits ausgeschlossen.

Bis an diese Stelle stimmen viele gelehrte Sozialisten tatsächlich noch zu. Zwar setzt der eine die Akzente anders als andere, aber diejenigen, mit denen ich das Vergnügen einer ausführlichen Unterhaltung haben durfte und die gewillt waren, sich auf eine Diskussion mit mir über meine Analyse einzulassen, haben zumindest nach einer kurzen Debatte die voranstehenden Punkte eingestanden und zugestimmt, dass sie fester Bestandteil des Sozialismus sind. Natürlich wird hier bereits der eine oder andere widersprechen, doch sei es drum. Noch einmal: an dieser Stelle sind wir noch dabei, Thesen aufzustellen, eine Begründung derselben werden wir in der historischen Betrachtung und im Nachgang dazu anstellen. Ich bitte entsprechend noch um etwas Geduld.

Da Sie, werter Leser, bestimmt aufmerksam dabei waren, wird Ihnen nicht entgangen sein, dass wir erst sechs von acht Säulen benannt haben. Dies liegt daran, dass die letzten beiden, die wir nun angehen wollen, wesentlich kritischer sind. Tatsächlich sind hier Sozialisten oft sehr bestrebt, diese dahingehend abzulehnen, dass sie sagen, sie seien nicht fester Bestandteil der sozialistischen Idee. Da dies aber natürlich meine persönliche Analyse des Begriffes und seiner Geschichte ist, will ich mir nicht nehmen lassen, diese ebenfalls aufzuführen. Wichtig ist dabei, dass die achte Säule eigentlich gar keine Zustimmung findet, während die siebte zumindest oftmals nur kritisch gesehen wird. Meiner Ansicht nach gehören sie aber beide, und das werde ich noch ausführlich begründen, fest zum Sozialismus dazu. Bilden Sie, werter Leser, dazu einfach ihr eigenes Urteil und beschränken Sie sich gegebenenfalls in Diskussionen auf die ersten sechs.

Kommen wir also zu den letzten beiden Säulen:

7. Stillstand

Und das beinahe in jeglicher Hinsicht. Sozialistische Denker sprechen es nicht zwangsläufig selbst direkt an, aber es wird stets auf einen gesellschaftlichen Zustand abgezielt, der keinerlei weiteren Entwicklung mehr bedarf. Gewissermaßen will man ein Ende der Geschichte herbeiführen. Ist die Utopie, gewissermaßen das Paradies auf Erden erreicht, dann will man dieses natürlich nicht wieder verlassen und somit den Zustand erhalten. Dies bedeutet allerdings auch einen Stillstand in wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht, wie wir im späteren Verlauf sehen werden. Halten wir an dieser Stelle also erst einmal nur fest, dass der Sozialismus als ein Endpunkt einer Entwicklung dienen soll beziehungsweise einen solchen in Aussicht stellt und dass daraus auch Stillstand in anderer Hinsicht folgt.

8. Sklaverei

Keine sozialistische Idee kommt ohne Sklaverei aus. Ja, ich meine das tatsächlich ernst, auch wenn hier erfahrungsgemäß die Sozialisten auf die Barrikaden gehen und sagen, es ginge im Gegenteil um die Befreiung des Menschen. Tja, man kann sich alles passend hindrehen. Während manche Denker zumindest den Zwang zu Arbeiten mit aufführen, ist die Versklavung der Gesellschaft als Ganzes bei anderen nur implizit herauszulesen. Wenn wir später etwas auf das Freiheitsverständnis eingehen, dann werden wir sehen, dass der Begriff der Sklaverei hier natürlich für den Einzelnen geht, der gezwungen wird, sich in die Gesellschaft einzuordnen. Aber wie gesagt, das wollen wir im weiteren Verlauf genauer betrachten und natürlich auch ausführlich begründen.

Nun haben wir also eine umfassende Definition des Sozialismus gefunden. Dieser ist eine Ideologie, der die oben genannten acht Säulen umfasst, also einen utopischen Zustand anstrebt, in dem Privateigentum und Religion im gewissen Rahmen abgeschafft sind, die Familie als Einheit in ihrer Bedeutung weitestgehend aufgelöst wird, die Gemeinschaft im Vordergrund steht, in der alle gleich sind, der zudem keine weitere Entwicklung mehr zulässt und in dem ein Zwang zur Einordnung und Mitarbeit entsprechend dem Verständnis zur Sklaverei besteht. Na, da haben wir uns ja was vorgenommen. Bedenken Sie an dieser Stelle bitte noch zwei Dinge: erstens handelt es sich dabei um meine persönliche Analyse, was den Sozialismus als Idee ausmacht. Andere können da zu ganz anderen Schlussfolgerungen gelangen. Zweitens haben wir bisher nur die Säulen besprochen, was darauf aufgebaut werden kann, ist wiederum vielseitig. Meine Aussage an dieser Stelle ist, dass eine Ideologie, die auf diesen Säulen aufbaut und einer entsprechenden Utopie entgegen strebt, sozialistisch ist. Natürlich gibt es verwandte Ideen, die nur einige der Säulen bedienen, aber dazu ebenfalls später mehr.

Nun machen wir uns also an die historischen Betrachtungen. Woher kommt der Sozialismus? Dafür beginnen wir mit ausgewählten Beispielen aus der Geschichte, die sich vor der eigentlichen Ideengeschichte des Sozialismus abspielen und gewissermaßen als Vorläufer für die entsprechenden Ideen betrachtet werden können.


25.4.2022