Historischer Aufriss der sozialistischen Denker

Was ist es, was der Sozialist eigentlich will? Ganz plakativ und vielleicht auch etwas provokant ausgedrückt: Er will Freiheit. Moment! Hatten wir nicht zuvor gesagt, dass eine der Säulen des Sozialismus Sklaverei ist? Nun, das stimmt. Aber lassen Sie, werter Leser, mich das etwas näher ausführen.

Wir hatten das Thema der Freiheit bereits ausführlich im Beitrag „Der Wert des Zwanges und die Grenzen der Freiheit“ betrachtet, jedoch mit einem etwas anderen Fokus. Hier stoßen wir nämlich auf das Problem der unterschiedlichen Freiheitsbegriffe. Man kann es etwa so beschreiben: Die Aussage „ich bin frei“ ist leer. Sie beschreibt in der Tat nicht wirklich etwas. Frei von was? Ein Sklave, der von seinem Herren entlassen wird, erlangt Freiheit von dessen Willkür und der Arbeit, die dieser ihm auferlegte. Er tauscht diese aber gegen eine andere Freiheit, die der Herr ihm verschaffte: sich nicht um Nahrung und Obdach kümmern zu müssen. Natürlich ist letzteres ein sehr kleiner Trost und zumindest intuitiv würde sich wohl jeder, der nie in Sklaverei lebte, gegen einen solchen Tausch entscheiden. Aber wenn man es überdenkt, so ist jeder Zwang, der einem aufgebürdet wurde, etwas von dem man befreit werden kann. Der Zwang sich zu ernähren, der Zwang sich ein Auskommen zu suchen, der Zwang Steuern zu zahlen, der Zwang sich unterzuordnen usw. Wenn jemand nach Freiheit ruft, egal in welcher Form, so ist stets zu fragen: wovon soll denn wer befreit werden?

Nun, im Falle des Sozialismus ist dies recht leicht zu beantworten: es geht immer um eine Befreiung von einer Obrigkeit, von einer Ungleichheit, welche die unteren Gesellschaftsschichten knechtet und zwingt, dem Willen der besser Situierten zu folgen. Man spürt bei diesem Gedanken schon förmlich, dass wir es hier mit revolutionären Ansprüchen zu tun haben. Es wird kaum wundern, dass die Auswahl derjenigen Denker, die ich gleich vorstellen möchte, allesamt zu unruhigen Zeiten wirkten. Wobei das milde ausgedrückt ist, denn die drei, die wir vor allem betrachten wollen, wirkten jeweils in einer revolutionären Phase ihres Landes. Und dies ist durchaus leicht nachzuvollziehen: wann ist ein besserer Zeitpunkt, etwa die Ziele der Gleichheit und der Abschaffung des Privateigentums umzusetzen, als in einem Moment, in dem die Ansammlung von Reichtum bei einigen wenigen und die Verarmung der Vielen die Ungleichheit unerträglich werden lässt? Der Zwang zur Lohnarbeit, der dann schon als Lohnsklaverei verstanden wird, ist es, den man überwinden, von dem man sich Freiheit erkämpfen möchte. Wie also befreit man sich von diesem Zwang, der in einem System der wirtschaftlichen Freiheit entsteht? Indem man diese Freiheit entfernt und das Privateigentum abschafft um dafür von der Lohnsklaverei befreit zu werden. Es wird die eine Freiheit, die der Masse nichts nützt, gegen eine andere, die sie begehrt, getauscht. So viel also erstmal zum groben Konzept, nun wollen wir das Ganze aber mal etwas konkreter machen und springen nach England.

England? Sozialismus? Vielleicht nicht die erste Assoziation der meisten, wenn sie den Begriff hören. Aber ja, wir wollen hier zweihundert Jahre vor Marx beginnen, mit einer Bewegung, die viele seiner Ideen vorweg nimmt. Dafür wollen wir aber zunächst auf die englische Geschichte ein bisschen eingehen.

In den Jahren 1642 bis 1649 herrschte in England ein Bürgerkrieg zwischen dem König, der absolute Macht im Land wollte und dem Parlament, das seine Mitbestimmungsrechte verteidigte. Hier taucht ein vielleicht dem einen oder anderen bekannter Name auf: Oliver Cromwell, ein Anführer der Parlamentsarmeen. Was viele nicht wissen: England war, für eine kurze Zeit in seiner Geschichte, zumindest offiziell eine Republik. Hier sollen aber die Details gar nicht so sehr interessieren. Wichtig ist nur zu wissen, dass sich Cromwell während dieser königslosen Zeit hervortat und den Titel des Lordprotektoren annahm. Zeitgenössische Karikaturen, in denen Cromwell als Usurpator und de facto König dargestellt wird, zeigen recht deutlich, wie langlebig diese republikanische Phase war, zumal sie nach Cromwells Tod 1658 auch recht schnell durch das Wiedereinsetzen des Königs nur zwei Jahre später auch schon wieder vorbei war. So viel also zur englischen Republik.

Interessant ist nun weniger, wie genau Cromwell sich verhalten hat und was er umsetzte, als vielmehr der Umstand, dass es in solchen Auseinandersetzungen wie dem englischen Bürgerkrieg gegen einen König, den man als Tyrannen empfand, natürlich die verschiedensten Strömungen gab. Unter anderem eben auch die Levellers, was man ins Deutsche mit „Gleichmacher“ übersetzen kann. Und der Name ist auch ziemlich Programm. Man wollte demokratische und egalitäre Ideen umsetzen. Nun, das ist noch nicht allzu sozialistisch, oder? Aber wir wären hier auch nicht in einer Zeit des Umbruchs und hätten keine politische Bewegung vorliegen, wenn sich keine radikalen Splittergruppen bildeten. Und hier enttäuschen natürlich die werten Insulaner nicht, da es von den Levellers die Untergruppe der True Levellers, der „Wahren Gleichmacher“ gab. Und hier kommen wir dann auch schon auf den ersten interessanten Namen: Gerrard Winstanley, der Anführer dieser Bewegung, die man auch Diggers, also Buddler nannte.

Dieser werte Herr wandte sich unter anderem direkt an Cromwell und wies ihn darauf hin, dass die Revolution nicht abgeschlossen sei. Die Soldaten, die für das Parlament kämpften, fragten sich, wann denn endlich die versprochenen Umbrüche kämen usw. An sich lohnt es sich, wie bei allen in diesem Beitrag erwähnten Autoren, die Werke des Herrn Winstanley einmal zu lesen. Den man findet hier bereits ausführliche Forderungen zu Sozialismus beinahe in Reinform. Und nun das Interessante: seine Grundlage für die Forderungen war theologisch. Er begründete seine Position biblisch, etwa dadurch dass Gott die Menschen gleich schuf.

Um es einmal konkret auf die Säulen zu beziehen, die wir am Anfang definiert hatten: Man wollte eine neue Welt, eine neue Gesellschaft hervorbringen, in der die Menschen tatsächlich gleich sind und in der es kein Geld mehr geben muss, da es kein Privateigentum gibt. Die Menschen sollten in landwirtschaftlichen Gruppen leben, also kein Streben mehr nach Außen kennen.

Damit hätten wir dann schonmal fünf der Säulen, zumindest im Schnelldurchlauf, bei Winstanley gefunden. Es fehlen die der Religion, der Sklaverei und der Familie. Und ja, wir finden hier bereits alle Säulen mehr oder weniger umgesetzt. Wir wollen die letztgenannten einzeln betrachten, da die anderen fünf recht deutlich zu finden sind und bereits bei einfacher Literatur über Winstanley zu finden sind. Das gilt eigentlich auch für die Sklaverei, doch bei dieser soll noch ein weiterer Punkt aufgezeigt werden.

Beginnen wir jedoch erst einmal mit der Religion. Es wurde bereits gesagt, dass der Sozialismus eine Gemeinschaftlichkeit und eine Gleichheit fordert. Ja, diese beiden Säulen sind tatsächlich auch der Grund dafür, dass die Sechste, die wir plakativ mit „Abschaffung der Religion“ betitelt hatten, eine tragende Relevanz mit sich bringt. Wie ich bereits betonte, handelt es sich dabei um ein Schlagwort, nicht unbedingt ein wörtliches Programm. Oder: Glauben und Religion sind zum einen zu unterscheiden, zum anderen wurde bewusst nicht der Ausdruck „Abschaffung jeglicher Religion“ gewählt. Denn: Winstanley war ein Reformer. So begründete er auch seine politischen Positionen biblisch und zeigte anhand verschiedener Passagen auf, dass es von Gott gewollt sei, dass es keine Unterschiede zwischen den Menschen gebe, dass sie gleich sein sollten, dass sie in einer einander unterstützenden Gemeinschaft leben sollten usw. Anhand dieser Faktoren kann man bereits sehen, warum Sozialisten sich häufig gegen althergebrachte Traditionen, Identitäten, Religionen etc. wenden: Sie stehen im Weg. Für Sozialisten war dies oft das Christentum, aber eben nur in seiner institutionalisierten, nicht vom Staate kontrollierten Form. Mit anderen Worten: gerade der Katholizismus, aber eben auch solche Ausprägungen wie die anglikanische Kirche, haben sich als Feindbilder oder zu überwindende archaische Strukturen herausgestellt.

Folgerichtig finden wir auch diese Form einer Abschaffung der Religion bei Winstanley. Es geht ihm nicht darum den Glauben an sich abzuschaffen. Im Gegenteil, nach dem Scheitern seiner Bewegung schloss er sich sogar noch den Quäkern an. Es ging ihm um das Überwinden derjenigen Religion, die den Menschen in Unfreiheit hält. Diese sollte abgeschafft werden, da sie zu einer falschen Gesellschaftsstruktur, mit Königen, Adligen und Besitzenden gegenüber von Leibeigenen, Abhängigen und Besitzlosen geführt hat, die eben nicht gottgewollt ist, sondern wider seinen Willen steht. Naja, die Bibelkunde, die Winstanley dabei anstellt und die hochinteressant und auch in jedem Fall zu empfehlen ist, wollen wir an dieser Stelle uns einmal ersparen. Halten wir also fest: die sechste Säule, die der Abschaffung der Religion, finden wir also auch bereits bei Winstanley vor und das in einer sehr reinen Form. Es soll das Alte durch etwas Neues ersetzt werden, beziehungsweise im Theologischen Sinne ja eigentlich eher durch das Ursprüngliche.

Interessanterweise findet man dies auch bei späteren marxistischen Bewegungen, die Erfolg haben: es wird sich im Nachhinein mit der Kirche arrangiert. Man macht die Geistlichkeit gefügig, deutet die Bibel oder welchen Text auch immer entsprechend und begründet damit, dass man im Recht ist. Winstanley hat es gewissermaßen anders herum gemacht und sich nicht erst der Notwendigkeit hingegeben, den Menschen ihren Glauben zu lassen, den er ihnen ja auch gar nicht nehmen wollte. Der Glauben, das können wir aber an dieser Stelle schon einmal festhalten, ist nicht der Feind des Sozialismus, sondern eben diejenige Religion mit der Positionen einhergehen, die sich den übrigen Säulen des Sozialismus entgegenstellen.

Mit der fünften Säule, der Auflösung der Familie, verhält es sich ähnlich. Hier wollen wir jedoch Winstanley kein Unrecht tun und behaupten, er habe sowas auch nur im Ansatz gefordert. Tatsächlich wollte er folgendes: Das Land, das niemandem mehr Privateigentum ist, soll Familienverbänden übergeben werden, damit diese es bewirtschaften können. Natürlich stehen diese unter der Aufsicht entsprechender Beamter, aber es soll genau solche Verbände auch weiterhin gehen und wenn es keine Notwendigkeit zur Umsiedlung einer Familie gibt, so kann diese auch den Hof beerben, wenn auch nur im Sinne einer Wohn- und Arbeitsstätte und nicht im Sinne von Eigentum.

Was können wir an dieser Stelle daraus folgern? Nun, man kann argumentieren, dass die sonstigen Forderungen Winstanleys zum Aufbau der Gesellschaft eine Schwächung der familiären Strukturen zur Folge hätten. Etwa dass es kein echtes Erbe mehr gibt, der Hof nicht wirklich einem selbst gehört und daher auch nicht ein entsprechender Gedanke einer sich fortsetzenden Gruppe entsteht, da diese eben mit Nichts dasteht. Aber das Argument ist eher schwach. Stärker ist dagegen, dass Winstanley den Menschen als Individuum im strafrechtlichen Sinne angehen wollte und eine staatliche Form der Erziehung forderte, auf die wir gleich bei der Betrachtung zur Achten Säule eingehen werden. Dadurch, dass dieses ureigene Privileg der Familie, vor allem eben den Eltern genommen wird und damit die Individualität der Familie als Ganzes zugunsten einer Annäherung an das staatliche Ideal aufgelöst werden soll, ja wenn es sogar starke Eingriffe in dieses Privileg zu eben diesem Zwecke gibt, dann verliert die Familie ihre Bedeutung. Denn wenn die meine genauso ist wie die des Nachbarn und die desjenigen, der einhundert Kilometer entfernt wohnt und es dazwischen keine einzige gibt, die in irgendeiner Weise Besonderheiten aufweist, die sich von der meinen unterscheiden, wo ist sie denn da noch etwas identitätsstiftendes?

Wir können also an dieser Stelle festhalten, dass wir keine direkte Forderung nach der Auflösung der Familie haben. Aber auch hier ist bewusst nicht von Abschaffung die Rede, sondern eben von einer Auflösung, was einen Prozess beschreiben kann. Folglich kann man zumindest sagen, dass die fünfte Säule zu einem gewissen Grade vertreten ist, wenn auch nicht in einer so wunderschön reinen Form, dass man sie auf den ersten Blick erkennen könnte.

Kommen wir also zur achten Säule, derjenigen der Sklaverei. Ich warne schon einmal vor: es wird in diesem Verlauf wieder um Freiheitsbegriffe gehen. Aber holen wir zuvor etwas weiter aus: Die sogenannten Diggers haben ihren Namen daher, dass sie einfach auf öffentlich zugängliches, noch nicht kultiviertes Land gingen, dort Felder anlegten und dann ihre Ernten frei verteilten. Anders gesagt: sie nahmen sich Land, das niemandem privat gehörte und aus Idealismus heraus wurden die Früchte der Arbeit an die Bevölkerung verteilt. Dies machten dann einige weitere Gruppen nach, aber das nur am Rande. Wichtig ist hierbei, dass Winstanley dies natürlich mit Gleichgesinnten tat. Seine Idee war jedoch, dass in solcherart gestalteten, landwirtschaftlichen Kommunen ganz England leben solle. Nun stellt sich aber wieder diese einfache Frage: wie motiviere ich jemanden zu arbeiten, dem ich sage, er erhält für seine Arbeit weder einen Lohn noch darf er die Früchte seiner Arbeit als sein Eigentum betrachten? Ganz einfach: ich zwinge ihn. Aber wodurch? Nun, Winstanley war dieses Problem bekannt, weshalb er dafür natürlich auch eine Lösung bietet.

Das utopische England der True Levellers kommt natürlich nicht ohne Beamte aus. Sollte sich jemand weigern, seinen rechtmäßigen Platz in der Ordnung des Commonwealth einzunehmen, so kann ein Richter ihm seine Freiheit entziehen. Und damit ist nicht gemeint, dass so jemand ins Gefängnis gesteckt wird. Nein, er wird schlicht versklavt. Es soll spezielle Aufseher geben, die diese Rechtsbrüchigen ihren Aufgaben zuteilen und aufpassen, dass sie ihre Arbeit leisten. An sich sollen sie im gleichen Bereich arbeiten wie die Freien, jedoch dabei die eher niederen Aufgaben übernehmen. Ziel ist es hierbei, ihren Stolz zu brechen und sie wieder zu produktiven Mitgliedern der Gemeinschaft zu machen. Dafür hat der Aufseher nun verschiedene Möglichkeiten: arbeitet der Versklavte gut und richtig, fügt er sich demütig in seine Rolle und macht keinen Ärger, so erhält er ausreichend Kleidung und Nahrung um seinen Körper gesund zu halten. Tut er dies nicht, so wird er einem Mangel dieser Güter ausgesetzt oder gar ausgepeitscht. Und was passiert, wenn er versucht zu fliehen? Nun, dann fängt man ihn, führt ihn dem Richter vor und dieser verurteilt ihn dann zum Tode. Das Paradies herzustellen kann ja so einfach sein.

Aber gehen doch noch einmal einen Schritt zurück: der Sklave wird von speziellen Aufsehern gezwungen seine Arbeit zu verrichten und ansonsten mit Mangelernährung, Körperstrafen oder gar einem Todesurteil belegt. Und wer wird Sklave? Wer seine Arbeit nicht freiwillig macht. Man wird also vor die Wahl gestellt, entweder sich frei dafür zu entscheiden, das zu tun was die Gemeinschaft von einem verlangt oder eben dazu gezwungen zu werden. Es wurde bereits zu beginn erwähnt, dass ein Sozialist mir wohl kaum zustimmen wird, dass eine unverrückbare Säule des Sozialismus die Sklaverei ist. Wir finden uns jedoch immer wieder vor dieser einfachen Frage: Was passiert mit jenem, der einen anderen Weg gehen will als denjenigen, den ihm die Gesellschaft zuweist? Und stets finden wir starke Beschränkungen der Freiheit. Und ja, auch die Mauer, die den Menschen die Freiheit nahm von Ost nach West zu wandern, ist letztlich aus dem Problem heraus entstanden, dass diejenigen, die den Sozialismus umsetzen möchten, die Menschen dazu zwingen müssen ihren Platz einzunehmen. Da Privateigentum und Lohn als problematisch betrachtet werden, also positive Anreize wie etwa Prämien, höhere Gehälter oder Vergünstigungen nicht für die Freiwillige Aufnahme einer Tätigkeit zur Verfügung stehen, muss man eben negative Anreize wählen: Tu wie Dir geheißen, oder wir zwingen Dich und Du verlierst jene Privilegien, die Du derzeit noch genießt.

Hat man nun ein individualistisches Freiheitsbild, das die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen in den Vordergrund stellt, so wird man wohl kaum verübeln können, dass dies als Sklaverei betrachtet wird. Aber wie bereits gesagt, wollen Sozialisten vor allem eines: Freiheit. Und diesen Widerspruch kann man eben durch einen anderen Freiheitsbegriff auflösen. Man stellt eben die Frage: Frei von was? Und bei Winstanley ist dies nicht schwer herauszufinden, da er dies sogar ausführt.

Zunächst sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass die Freiheit vom Joch der Normannen gefordert wurde. Diese regierten England seit dem elften Jahrhundert, nachdem Wilhelm der Eroberer den Thron übernahm. Es geht aber natürlich weiter als das, denn das Ersetzen des normannischen Adels durch einen Englischen wäre nicht im Sinne einer Gleichheit gewesen. Wo also wollte Herr Winstanley hin?

Nun, für ihn galt es zwischen innerer und äußerer Unfreiheit zu unterscheiden. Die Innere ist dabei eine Folge der Äußeren. Sie besteht aus geistigen Fesseln, wie etwa Stolz, Heuchelei, Angst, Verzweiflung und Wahnsinn. Ohne diese, ist der Mensch innerlich frei. Dorthin gelangt man jedoch nur, wenn man seine äußeren Fesseln abwirft. Und diese kommen daher, dass man das Land und seine Früchte nicht frei nutzen kann. Land ist es, weshalb sich Menschen in Kriege stürzen, einander unterdrücken und allerlei Schändlichkeit vollführen. Kann ein Mensch das Land nicht frei nutzen und sich in der Folge dessen versorgen, so ist er einer äußeren Fessel unterworfen, nämlich der des Privateigentums anderer oder eben der des Rechts, das ein König oder die Kirche dem Land gab. Davon soll man befreit werden, denn die inneren Fesseln, diejenigen des Geistes, die uns vielleicht auch jetzt an den Vorstellungen Winstanleys zweifeln lassen, sind doch nur diejenigen, die aus der äußeren Fessel resultieren und sich mit ihr in Wohlgefallen auflösen ließen, so man den Menschen eben die freie Nutzung des Landes ermöglichte und die Früchte desselben der gesamten Gesellschaft zur Verfügung stellte. Beziehungsweise wenn man eben genau das umsetzt, was Winstanley fordert.

Um es deutlich zu sagen: die intuitive Ansicht, die vielleicht der eine oder andere mitbringt, dass es Sklaverei ist, wenn man zur Arbeit gezwungen wird und mit Mangelernährung und Auspeitschen rechnen muss, sollte man aus der Reihe fallen, ist falsch. Es ist Freiheit, da die Gesellschaft als Ganze frei wird von dem Joch der Ungleichheit und des Privateigentums, da sich niemand, der an ihr teilhat, sich mehr um die Grundübel wie Hunger oder Armut sorgen muss und stattdessen ein unbeschwertes Leben führen kann.

So viel also erst einmal zu den True Levellers und Winstanley. An sich könnte man diese Übung nun noch viele weitere Male durchexerzieren. Warum also gerade die Bewegung der Diggers? Zum einen weil sie eben ein früher Vertreter ist, zum anderen weil wir bereits alle Säulen des Sozialismus vorfinden. Und als dritten Grund kann man aufführen, dass ich davon ausgehe, dass diese Gruppierung den meisten von Ihnen, werte Leser, bisher unbekannt war. Vielleicht ist ja der eine oder andere neugierig geworden und will mehr über sie lesen. Zumindest in englischer Sprache sind alle Schriften Winstanleys im Netz frei verfügbar und seien Ihnen daher auch gerne zur Lektüre ans Herz gelegt.


25.4.2022