François-Noël Babeuf

Um massive Wiederholungen zu vermeiden wollen wir nun natürlich nicht unnötig noch dutzende weitere Denker und Bewegungen betrachten. Stattdessen wollen wir uns auf zwei weitere beschränken. England sei mit Morus und Winstanley ausreichend abgehandelt, wenden wir uns also zunächst nach Frankreich, bevor wir schließlich zu Marx und Engels übergehen.

Wer käme denn in der französischen Geschichte als interessanter Vertreter sozialistischer Ideen in Frage? Da wir bereits festgestellt haben, dass sozialistische Ideen sich dann besonders gut verbreiten, wenn wir eine Zeit der Unruhe haben, sollte klar sein, wo wir suchen müssen: in der Zeit um die französische Revolution. Wir könnten zwar noch weitere Zeitpunkte wählen, etwa die späteren Revolutionen oder die Pariser Kommune, aber wir wollen aus verschiedenen Gründen hier verbleiben: zum einen ist es eine weitreichend bekannte Episode der französischen Geschichte, sodass wir tatsächlich voll und ganz bei der Idee des Sozialismus bleiben können und zum anderen finden wir hier einen Denker, den man auch als ersten Kommunisten bezeichnet, nämlich François-Noël Babeuf.

Wie gesagt, könnten wir nun an Babeuf wieder das ganze Spiel durchexerzieren und jede Säule einzeln betrachten. Das sollte allerdings kaum nötig sein. Wichtig ist, dass er eine Gruppe gründete, die man als „Verschwörung der Gleichen“ (franz. „Conjuration des Égaux“) bezeichnet. Hier hören wir es bereits wieder im Namen: Gleichheit spielte für ihn eine wichtige Rolle. Ebenso natürlich auch wieder der Aufbau einer neuen Gesellschaft und das Abschaffen des Privateigentums. Wer mal wirklich absurde Dinge sehen möchte, der möge sich auch ruhig einmal ansehen, was man so alles in der französischen Revolution anstellte um die verhasste alte Ordnung zu überwinden. Da gab es einiges, angefangen bei der Einführung einer neuen Zeiteinteilung und -rechnung bis hin zur Einführung einer neuen Religion. Natürlich sollte man nun nicht Babeuf diese Entwicklungen zuschreiben, da dieser eben nicht die Regierungsgewalt innehatte, sondern lediglich für uns als Ideengeber interessant ist. Es soll viel mehr unterstreichen, wie stark der Kampf gegen die Tradition war, die den Menschen, der, frei nach Rousseau, zwar frei geboren wird, doch überall in Ketten liegt.

In solch einer Zeit verwundert es nicht, dass auch Sozialisten versuchen, die Gunst der Stunde zu nutzen, wie sie es auch später in Frankreich und eben auch in Deutschland zum Ende des Kaiserreiches und während der Zeit der Weimarer Republik taten. Das wirklich interessante an Babeuf ist nun, dass Marx und Engels sich später häufiger auf ihn beziehen, ja, dass er sogar als einer ihrer Vordenker gehandelt wird. Aber dazu kommen wir gleich.

Wir können und sollten die französische Revolution, beziehungsweise die Denker, die mit ihr daherkamen, vor allem deswegen im Hinterkopf behalten, weil der revolutionäre Aspekt, aber eben auch die Voraussetzung durch die Unruhe und die mit ihr einherkommenden Ideen und Umwälzungen, für die Idee des Sozialismus teils von großer Bedeutung deswegen sind, weil sie Marx und Engels einiges vorweg nehmen und zum anderen deswegen, weil ausführliche Studien bezüglich ihrer Denker einiges an Nuancen offenlegen, die sich nur dadurch vom Sozialismus unterscheiden, dass wir eben einen anderen Begriff von Freiheit und Gleichheit ansetzen oder eben nicht alle Säulen berücksichtigt vorfinden.

Nebenbei: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Hier, im Motto der französischen Revolution, können wir grundsozialistische Gedanken finden: Je nachdem, wie ich die drei Begriffe auslege, also ob ich Freiheit im sozialistischen Sinne betrachte, wie es etwa Winstanley tat, was für eine Gleichheit ich genau anstrebe und ob ich mit Brüderlichkeit eine tief verwurzelte Form von Gemeinschaftlichkeit meine, habe ich die positiven Forderungen des Sozialismus, also diejenigen Zustände, die es herzustellen gilt, abgedeckt. Die negativen, also das, was man loswerden will, nämlich die Abschaffung von Familie, Religion und Eigentum, sind zumindest Ideen, die wir zu jener Zeit vorfinden, beziehungsweise die aus den vormals genannten Säulen resultieren.

Da dieser Abschnitt nun aber doch schon recht lang ist, wollen wir endlich zu Marx und Engels übergehen. Ich hoffe, die ausführliche Betrachtung Winstanleys und der kurze Aufriss zu Babeuf und der französischen Revolution haben eines gezeigt: wenn es um die sozialistische Idee geht, sind Marx und Engels alles andere als wirklich revolutionäre Denker. In der Tat ist es so, dass sie ihre Ideen lediglich zusammengetragen haben, sich sogar offen auf viele andere Denker beziehen und eigentlich, wenn man sich mit den ihnen vorausgehenden Autoren beschäftigt, sogar recht langweilig daherkommen. Aus verschiedenen Gründen sind sie jedoch die Bekanntesten und auch diejenigen, nach denen man den Marxismus schließlich benannte. Interessanterweise ist allerdings auch dieser einer, der sich gänzlich in das Bild fügt, das wir mit den acht Säulen dargelegt haben. Daher wollen wir nun auch hierauf konkreter eingehen.

Marx und Engels veröffentlichten 1848 das Manifest der Kommunistischen Partei. Wieder so ein markantes Jahr. Sei es drum. Es gab noch weitere Schriften dieser Autoren, bekannt ist dabei vor allem natürlich „Das Kapital“ von Karl Marx. Auch hier wagen wir uns natürlich wieder in einen Bereich vor, den man eigentlich nur angehen sollte, wenn man von allen Seiten angegriffen werden möchte. Denn gehören diese beiden und ihre Werke zu denjenigen, die am meisten in der politischen Philosophie Beachtung finden und das diesseits und jenseits von Universitätsmauern. Um also nicht zu ausführlich zu werden und uns nicht in alle Richtungen dreimal absichern zu müssen, beschränken wir uns hier auf die Betrachtung der acht Säulen anhand der Schriften dieser beiden Autoren.

Dass diese beiden eine Unterscheidung zwischen Sozialismus und Kommunismus trafen, ist tatsächlich recht uninteressant, wenn man die Sache als Ganzes betrachtet. Denn: der Kommunismus, den sie fordern, ist letztlich genau das, was sich in unsere Definition von Sozialismus fügt. Er ist grundsätzlich erst einmal utopisch, was wohl ziemlich offensichtlich sein sollte: er ist noch nicht da, er ist ein anzustrebendes Ziel und er verspricht eine bessere, gerechtere Welt. Gut, so viel also erstmal dazu, erste Säule abgehakt.

Nun, die zweite, die der Gleichheit, sollte ebenso offensichtlich sein: immerhin ist der Begriff der „klassenlosen Gesellschaft“ nicht umsonst hinlänglich im Zusammenhang mit dem Marxismus bekannt.

Auch die „Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln“ dürfte vielen ein Begriff sein, ebenso wie der Umstand, dass es im Kommunismus kein Geld mehr geben soll.

Auch der Begriff der Gemeinschaftlichkeit steckt an sich schon im Wort Kommunismus drin. Aber auch hier kann man im Endeffekt schon wieder das Vorhandensein der Säule an platten Zitaten aufzeigen: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch,“ oder „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen,“ beziehungsweise „Einer für Alle und Alle für einen.“ Wobei ich beim letzten meine, dass es gar nicht von Marx stammt. Sei's drum.

Diese vier positiv formulierten Säulen sollten also an sich klar sein, sodass wir hier nicht ausführlich darauf eingehen müssen, zumal wir dies ja bereits im Verlauf der Betrachtung zu Winstanley getan haben. Ähnlich könnte man dies nun beispielsweise am Manifest aufzeigen.

Bei den beiden weiteren negativ formulierten Säulen, nämlich der Abschaffung von Familie und Religion, wird es zumindest etwas interessanter. Dass ein Marxist Atheismus vertritt, sollte eigentlich klar sein. Beziehungsweise dass es zumindest Marx selbst so hielt. Wir hatten aber auch bereits gesagt, dass eine vollständige Abschaffung gar nicht Programm sein muss, sondern lediglich ein Aufbrechen der Vorhandenen um entsprechende Strukturen für die eigene Utopie umsetzen zu können. Egal, der inhärente Atheismus und die starke Kritik vor allem am Christentum sollten eigentlich ausreichen um diese Säule abzuhaken.

Kommen wir also zur Fünften. Im Manifest der kommunistischen Partei steht geschrieben:

Der Proletarier ist eigentumslos; sein Verhältnis zu Weib und Kind hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhältnis;

was bereits aufzeigt, dass wir uns also, wie bei der Beschreibung der Säule erwähnt, von dem entfernen, was eine Familie ist. Ja, auch gerade der Zusammenhalt einer Familie durch den Besitzstand, wie es etwa zuvor zum Thema des Erbrechtes erwähnt wurde, wird damit bezeichnet. Das beste Zitat hierzu finden wir im Abschnitt II, betitelt mit den Worten „Proletarier und Kommunisten.“ Dort heißt es:

Aufhebung der Familie! Selbst die Radikalsten ereifern sich über diese schändliche Absicht der Kommunisten.

Worauf beruht die gegenwärtige, die bürgerliche Familie? Auf dem Kapital, auf dem Privaterwerb. Vollständig entwickelt existiert sie nur für die Bourgeoisie; aber sie findet ihre Ergänzung in der erzwungenen Familienlosigkeit der Proletarier und der öffentlichen Prostitution.

Die Familie der Bourgeois fällt natürlich weg mit dem Wegfallen dieser ihrer Ergänzung, und beide verschwinden mit dem Verschwinden des Kapitals.

Werft ihr uns vor, daß wir die Ausbeutung der Kinder durch ihre Eltern aufheben wollen? Wir gestehen dieses Verbrechen ein.

An sich braucht man dazu nicht mehr viel zu sagen. Aber gut, wenn wir schon dabei sind, dann machen wir das auch noch kurz: wie auch bei der Religion geht es nicht zwangsläufig darum, die gesamte Institution aufzuheben. Vielmehr ist es das Ziel die derzeitige Ausprägung, die zurecht als der eigenen Utopie im Wege stehend betrachtet wird, aufzuheben. Ob dann an deren Stelle etwas anderes treten oder es komplett abgeschafft werden soll, ist schon wieder eine andere Frage. Im Falle der Familie geht es hier auch wieder um eine Befreiung, wie wir der rhetorischen Frage am Schluss deutlich entnehmen können. Aber es geht eben auch Hand in Hand mit der Abschaffung des Eigentums, wie wir bereits zur Genüge betrachtet haben. Wieder finden wir vor, dass der Sozialist sich gegen die Tradition wendet. Und dies ist eben am prominentesten im Falle von Religion und Familie.

Nun, die vorgenannten Punkte sind allesamt recht leicht zu erkennen. Ja, wie bereits bemerkt, stimmt eigentlich auch jeder Sozialist, der sich denn eingehend mit der Idee auseinandersetzte, diesen zu. Es ist nötig, bestimmte althergebrachte Institutionen, wie das Privateigentum, die Familie und die Religion aufzulösen oder zumindest vom Kopf auf die Füße zu stellen, die Traditionen also zu brechen und dafür etwas Neues hinzusetzen, was sich dann in die entsprechende Utopie fügt, der diese Institutionen in ihrer bisherigen Form als Feinde gegenüberstehen.

Nun kommen wir also zu den beiden letzten Säulen. Stillstand und Sklaverei. Wie bereits mehrfach gesagt sind sie beide recht leicht zu sehen, wenn man die entsprechenden Quellen tatsächlich einmal liest und nicht lediglich einen Lexikoneintrag dazu konsultiert.

Die Sache mit dem Stillstand kann man schon recht leicht davon ableiten, dass man als Sozialist, wie es eben auch der Marxist in diesem Sinne ist, eine Welt anstrebt, die keinen Nachfolger mehr kennt. In diesem Falle wäre es eben der Kommunismus. Das heißt, dass wir, sobald dieser erreicht wurde, keinerlei Reformen, Revolutionen oder was auch immer mehr bräuchten. Vielmehr will man, ganz im Gegenteil dazu, auf ewig im utopischen Zustand verbleiben. Oder anders gesagt: wenn man einmal im Paradies auf Erden angekommen ist, warum sollte man es wieder verlassen wollen? Für Marx war diese Entwicklung, an deren Ende der Kommunismus steht, wissenschaftlich bedingt notwendig. Man nennt die Betrachtungsweise, die den marxschen Überlegungen zugrunde liegt, Historischer Materialismus. Dies ist ebenfalls ein hochinteressantes Thema, das einen viel weitreichenderen Einfluss auf unser Denken und die heutige Wissenschaft hat, als man auf den ersten Blick vermuten mag, doch, Sie ahnen es schon, werter Leser, das führt in diesem schon viel zu umfangreichen Beitrag nun wirklich zu weit.

Wir haben also festgestellt, dass es im Kommunismus keine weitere gesellschaftliche Entwicklung geben soll. Es wird dahingehend also bereits der Stillstand angestrebt. Doch was folgt aus einer Gesellschaft, in der es kein privates Eigentum, keinen Handel, eine allgemeine Gleichheit und keine gesellschaftliche Entwicklung mehr gibt? In der jeder seine Aufgabe erfüllt um nach seiner Leistungsfähigkeit zur allgemeinen Versorgung beizutragen und jedermanns Bedürfnisse, zumindest so weit es die Wirtschaft tatsächlich erlaubt, befriedigt wird? Erinnern Sie sich noch an unsere ausführlichen Betrachtungen zum Willen zur Macht? Was passiert mit Menschen, denen man die Möglichkeit nimmt, über sich selbst hinaus zu wachsen, weil sie aus strukturellen Gründen gar nicht in der Lage sind, sich ihre Umgebung untertan zu machen? Naja, sie entwickeln sich eben nicht. Es folgt ganz logisch der Stillstand in jeglicher Hinsicht. Wozu denn auch? Es bringt ja alles doch nichts, da man gar nicht in der Lage ist sich abzuheben. Man ist mit allen anderen gleich, man kann gar nicht über sie hinauswachsen in irgendeiner Hinsicht. Man kann weder den eigenen Einfluss ausweiten, noch für sich eine Sonderrolle beanspruchen, in der man für vielleicht Jahre vom Rest der Gesellschaft ernährt wird, nur um vielleicht irgendwann mit einer tollen Erkenntnis oder Erfindung um die Ecke zu kommen.

Der Stillstand in gesellschaftlicher Hinsicht, vor allem in Kombination mit denjenigen Säulen, die den Menschen als egoistisches Individuum, ausgestattet mit einem Willen zur Macht, ablehnen, sorgen dafür, dass auch in jeder anderen Hinsicht auf einen Stillstand automatisch hingearbeitet werden wird. Nicht von Anfang an, aber doch zumindest dann, wenn der utopische Zustand hergestellt und gesichert ist, da zwar der Mensch noch arbeitet, dabei aber kein Ziel mehr vor Augen hat, das es zu erreichen gilt, da seine Arbeit lediglich dem Fortbestand des Status Quo dient.

Kommen wir also endlich zur letzten Säule. Eigentlich, so sehe ich das zumindest, ist diese recht leicht ableitbar. Wir stellen die Frage: bin ich frei, wenn ich im Sozialismus lebe? Oder von mir aus nach Marx im Kommunismus. Und die Antwort ist gleichermaßen Ja wie Nein. Denn, wie wir bereits festgestellt haben, ist Freiheit immer ein Tauschgeschäft. Die Freiheit vom einen erkaufe ich mir für die Freiheit vom anderen.

Frei zu sein von Existenzsorgen oder der Unterdrückung durch eine höher gestellte Gesellschaftsschicht ist etwas, das uns der Sozialismus verspricht. Er verlangt dafür jedoch, dass wir uns in sein System eingliedern, den Stillstand akzeptieren, Eigentum, Familie und Religion, wie wir sie kennen, hinter uns lassen und nicht unseren eigenen Interessen, sondern jene der Gemeinschaft verfolgen. Ist das also Sklaverei? Nun, wie könnte man denn Sklave definieren und warum ist dieser Begriff und nicht der des Unfreien an dieser Stelle gewählt worden? Weil es zutrifft.

Lebt man im Sozialismus, so muss man, ohne dafür irgendeine Form von Anerkennung zu erwarten, die aufgetragenen Arbeiten erledigen. Jeder eben „nach seinen Fähigkeiten.“ Dafür wird man versorgt, aber eben nicht so, wie es vielleicht relativ zur Arbeitsleistung angemessen wäre, denn dies würde einen Markt verlangen, der wiederum ein Platz des Handels ist, was ja wegfiele. Deshalb hat die Arbeit keinen messbaren Wert und man wird lediglich „nach seinen Bedürfnissen“ versorgt.

Es wird also das Verhältnis von Leistung und Lohn völlig ausgeschaltet. Dies ist auch bei einem klassischen Sklaven der Fall. Er erhält, so er denn seine Arbeit erledigt, Nahrung und Unterkunft. Natürlich wurden auch Sklaven durchaus belohnt für gute Dienste, aber das tut an dieser Stelle nichts zur Sache. Im Kommunismus, wie auch in jeder anderen sozialistischen Ideologie, die diesen Namen verdient, haben wir es ganz deutlich mit Sklaverei zu tun. Man hat seine Aufgaben zu erfüllen, man hat dafür keine Freiheit zu erwarten, wie sie etwa durch einen Lohn entsteht, den man selbstbestimmt ausgeben darf und genauso wenig hat man Anspruch darauf, sich eine bessere soziale Stellung als andere erarbeiten zu können, da ja alle gleich sind und Klassen unerwünscht.

Wir können daraus folgern, dass Sklaverei im folgenden Sinne für den Sozialismus essentiell ist: Ein jeder ist Teil der Gemeinschaft und diese ist wiederum der Meister, im übertragenen Sinne. Sich wider die Gemeinschaft zu stellen, führt zu Sanktionen, die vor allem Winstanley wunderbar ausführte. Denn die Frage nach der Motivation zu arbeiten, muss natürlich stets beantwortet werden. Hier gibt es natürlich immer die Möglichkeit, den Menschen die Lebensgrundlage zu entziehen oder sie eben anderweitig, etwa körperlich, zu bestrafen oder zur Arbeit zu zwingen.

Wir wollen aber natürlich die andere Seite nicht vergessen. Wie gesagt, haben wir es hier mit einem grundlegend anderen Freiheitsbegriff zu tun. Es geht im Kommunismus ja gerade darum, seine Ketten abzuwerfen. Und diese sind eben dadurch bestimmt, dass man für seinen Lohn arbeiten muss, da man sonst verhungert oder eben von willkürlichen Fürsten oder anderen Machthabern beherrscht wird. Ja, gerade das Joch der Ungleichheit abzuwerfen, das eben unter anderem durch das Privateigentum an Produktionsmitteln zu Stande kommt, ist etwas, das als Befreiung betrachtet werden kann. Freiheit, im Sinne des Sozialismus, bezieht sich eben nicht darauf, frei Werte schöpfen und über deren Verwendung entscheiden zu können, frei eine Unternehmung zu beginnen oder sonstig in irgendeiner ökonomischen Weise frei zu sein. Im Gegenteil. Es geht darum, sich gerade von diesen zu befreien. Und ja, man kann sich „von Freiheit befreien.“

Denn Freiheit ist stets Eigenverantwortung und kommt, wie wir dies bereits ausführlich im Beitrag Der Wert des Zwanges und die Grenzen der Freiheit betrachteten, mit Risiken daher. Und gerade von der Verantwortung und der Gefahr kann man sich wiederum befreien. So ist es natürlich in demjenigen System, das Marx und Engels kritisierten und als Kapitalismus bezeichneten, der Fall, dass ein jeder zusehen muss, wie er das Essen auf den Tisch und das Dach über den Kopf bekommt. Andererseits kann er natürlich jederzeit seine Arbeit kündigen und sich um eine neue bemühen. Das mag vielleicht Freiheit im gewissen Sinne sein, sorgt aber natürlich auch für Elend, da nicht jeder mit denselben Voraussetzungen beginnen und aus sich selbst und seiner Situation etwas machen kann. Die Absicherung, die der Sozialismus bietet, ist Freiheit. Nämlich Freiheit für die Masse, die sich nicht mehr um ihre elendige Existenz sorgen muss. Der viel Verantwortung, wie das Finden einer passenden Arbeit und das Herbeischaffen der lebensnotwendigen Güter abgenommen wird.

Dafür gibt man nun natürlich jene Freiheit auf, auf die ein Liberaler oder Libertärer so viel Wert legt: die Freiheit selbstbestimmt zu wirtschaften. Da aber jeder teilnehmen muss an der Wirtschaft, also seine Fähigkeiten einzubringen hat, kann man sehr wohl von Sklaverei sprechen. Ein Sklave, der eben keinen Herren kennt, sondern dessen Herr die Gesellschaft als Ganze mit ihrer Ordnung ist. Und eben ein Sklave, der nur andere Sklaven kennt, keine Freien, die sich außerhalb des Systems bewegen, in dem er lebt. Durch die Gleichheit, so kann man argumentieren, wäre die Sklaverei dann keine solche mehr in dem Sinne. Aber – und das ist der Grund, weshalb die entsprechende Säule so benannt wurde – sie ist es eben aus der Sicht derjenigen, die nicht im Sozialismus leben.


25.4.2022